Am 15.02.2016 sollte der Hauptzeuge des Brandes des Golden Pudel Club völlig unvorbereitet nach Italien abgeschoben werden. Diese Abschiebung konnte durch eine solidarische Aktion vorerst verhindert werden. Was ist passiert?
Die Person ist ein regelmäßiger Gast im Café Exil und bereits seit einiger Zeit von Abschiebung bedroht. In diesem Zusammenhang hat er uns seine Fluchtgeschichte erzählt, die wir mit euch teilen dürfen:
Im Zuge der Vorbereitung auf die Fußball Afrikameisterschaft (Africa Cup of Nations) 2008 in Ghana, wurde seine Tischlerei in Kumasi / Ghana abgerissen und ihm damit seine Existenzgrundlage genommen. Aus diesem Grund floh er 2006 nach Libyen, um sich dort ein neues Leben aufzubauen. Durch den beginnenden Bürgerkrieg 2011 in Libyen war er gezwungen, über das Mittelmeer nach Lampedusa und dann weiter nach Sizilien zu fliehen. Dort lebte er ohne Arbeit in einem Camp und blieb dort, bis dieses geschlossen und er dadurch obdachlos wurde.
Im September 2015 kam er schlussendlich nach Hamburg und fand eine vorübergehende Bleibe in der St. Pauli Kirche am Park Fiction. Anschließend lebte er zunächst mit weiteren Menschen, später alleine im Vorbau auf der Terrasse des Golden Pudel Club. Seinen Lebensunterhalt bestritt er durch das Sammeln von Flaschen. Im Zuge dessen wurde er im Oktober 2015 beim Abgeben von Leergut in einem Supermarkt auf St.Pauli vom dortigen Sicherheitsdienst körperlich so stark angegangen, dass sein Trommelfell riss.
Die hinzugezogene Polizei nahm ihm daraufhin seinen Reisepass ab, allerdings keine Anzeige auf.
Was nun folgte war eine Einladung seitens der Ausländerbehörde unter dem Vorwand, seine sichergestellten Ausweisdokumente abholen zu können. Als er den Termin wahrnahm, wurde mit ihm ein unangekündigtes Interview durchgeführt. Der anwesende Dolmetscher war sichtlich parteiisch im Sinne der Ausländerbehörde. Eine Unterschrift seitens unseres Gastes unter das Verhörprotokoll wurde verweigert. Der Sachbearbeiter der Ausländerbehörde, der namentlich bekannt ist, wurde sogar übergriffig. Unserem Gast wurde gleichwohl die Abschiebung aus Deutschland nach Italien angedroht.
Bei einem weiteren Termin zur Erneuerung der Meldeauflage wurde unserem Gast sowohl eine Grenzübertrittsbescheinigung als auch ein Einreiseverbot von 3 Jahren, sowie ein Flugticket für den 07. Dezember ausgehändigt. Er fand sich rechtzeitig zu dem geplanten Flug nach Italien am Flughafen ein, wurde allerdings vom Flughafen mit einer erneuten Meldeauflage weggeschickt. Diese wurde bis zum 15.02.2016 immer wieder verlängert.
In der Zwischenzeit überlegte er sich, freiwillig in seine Heimat nach Ghana über das REAP / GARP Programm zurückkehren – nach den Jahren auf der Straße, ohne gesicherten Aufenthaltsstatus und den erlebten staatlichen Repressionen verlor er jegliche Hoffnung auf einen dauerhaften Verbleib in Deutschland. Um die Rückführung durchzuführen, musste ein Reisepass aus Ghana ausgestellt werden – hierzu wäre eine Duldung mit einer Gültigkeit von mindestens 4 – 6 Wochen wichtig gewesen. Doch dazu ließ es die Ausländerbehörde nicht kommen.
Am Samstag, den 13.02.2016 wurde er gegen 21:00 Uhr von einer ihm unbekannten Person an seinem behelfsmäßigen Zuhause angesprochen. Die Person wollte wissen „was er denn dort tun würde?“. Nach einem kurzen Gespräch ging er wieder zurück in seine Behausung um dort etwas zu Essen, bevor er gegen 0:00 Uhr in den Pudel Club ging. Dort blieb er bis er mit den anderen Gästen evakuiert wurde. Nachdem er realisierte, dass neben dem Dachstuhl auch sein Zuhause in Flammen stand, versuchte er seine Habseligkeiten (unter anderem alle für ihn relevanten Papiere, sowie Kleidung) zu retten, wurde aber von der mittlerweile eingetroffenen Polizei zurückgehalten.Von eben dieser wurde er in das PK 41 (Davidswache) verbracht, um zu den Vorkommnissen auszusagen. Anwesend war eine Brandermittlerin der Hamburger Polizei, die ihm auch einige Fotos von Menschen zeigte, um einen möglichen Tatverdächtigen zu identifizieren. Hier konnte er aber kein Foto der unbekannten Person zuordnen. Aktuell ist davon auszugehen, dass er der Hauptzeuge im Kontext des Brandes im Golden Pudel Club ist.
Das Café Exil konnte ihn am Sonntag bei einer solidarischen Gruppe unterbringen, so dass er einen Schlafplatz für die Nacht von Sonntag auf Montag hatte. Diesen hätte er auch bis zu einer möglichen freiwilligen Rückreise nach Ghana nutzen können.
Am Montag um 12:30 ging unser Gast dann mit einem Genossen aus dem Cafe Exil in die Ausländerbehörde, da er dort seine Meldeauflage ein weiteres Mal verlängern wollte. Kaum dort eingetroffen, wurde er von 5 Polizisten umringt. Bei dem Versuch seine Situation zu erklären, stießen er und sein Begleiter auf vollkommenes Desinteresse der Beamten. Auf die Frage, ob er einen Anwalt anrufen könnte, wurde der Zugang zu einem Telefon verweigert.
Letztlich hat der Begleitende über das Handy des Betroffenen den Anwalt erreichen können. Dieser bat darum innerhalb von 2 Minuten zurück zurufen. Der zuständige Beamte der Ausländerbehörde verneinte dies mit der Begründung, dass jetzt ein Anruf getätigt worden sei und dem Betroffenen kein weiterer Anruf zur Verfügung stünde. Anschließend wurde der Begleiter durch die Leiterin für Abschiebemaßnahmen aufgefordert den Raum zu verlassen und die Maßnahme nicht weiter zu behindern. Die Polizisten begannen unverzüglich mit der Durchsuchung des Betroffenen und schlossen die Tür. Daraufhin rief der Anwalt zurück, eine Übergabe des Telefons an den
Betroffenen war nicht möglich. Erst nachdem der Anwalt aufgelegt hatte, konnte der Begleitende das Handy über die Leiterin für Abschiebemaßnahmen an den Betroffenen zurückgeben.
Nachdem klar wurde, dass der Betroffene sofort zur Abschiebung zum Hamburger Flughafen gebracht werden sollte, rief das Café Exil um 13:00 Uhr zu einer Kundgebung am Flughafen auf.
Hier fanden sich, innerhalb kürzester Zeit, ca. 50 Demonstrant_innen ein und fingen an alle Passagiere über die bevorstehende Abschiebung zu informieren. Schnell war klar, dass die Abschiebung in einem Linienflug von Air Berlin stattfinden sollte. Da der Verdacht der Bundespolizei bestand einige Aktivist_innen könnten sich Tickets für eben diesen Flug gekauft haben, und sich somit an Bord der Maschine befinden, und der Betroffene
Widerstand leistete war die Bundespolizei gezwungen die Abschiebung abzubrechen.
Er wurde nicht in den Flieger gesetzt aber sofort in Untersuchungshaft genommen.
Ein Haftprüfungstermin am Vormittag des 16.02. war erfolglos und es wurde angeordnet, dass er bis zu seinem nächsten Abschiebetermin (am 16.03.) im Abschiebeknast in Eisenhüttenstadt zu bleiben hat. Aktuell gibt es Bemühungen den Haftgrund durch einen festen Wohnsitz zu beseitigen.
Das Café Exil zeigt sich weiterhin aktiv solidarisch und bleibt ihm Kontakt mit den Anwält_innen und den Freunden des Betroffenen (wenn wer Fragen hat, gerne im Café Exil melden).
Presseanfragen bitte nur über http://cafe-exil.antira.info/kontakt/presse/ oder an 0151763827914.