Stellungnahme zur „Rückkehrberatung“ in der Spaldingstraße 1

In der Hansestadt Hamburg gibt es trotz ausreichend vorhandener finanzieller Mittel zu wenig Notunterkünfte für obdachlose Menschen. Um die überlaufenen Unterkünfte zu entlasten, hat die Sozialbehörde vor einigen Monaten die Weisung erlassen, dass osteuropäische Hilfesuchende nur noch bis zu drei Nächten in den Unterkünften schlafen dürfen. Wenn sie nicht innerhalb dieser Frist einen Anspruch auf Grundsicherungsleistung vorweisen können, werden sie wieder auf die Straße gesetzt.

Die Sprecherin der Sozialbehörde, Julia Seifert, erläuterte: „Mit der Regelung soll auch verhindert werden, dass die kostenfreie Unterkunft von arbeitenden Ausländern missbraucht wird.“ Obdachlose aus den osteuropäischen Ländern Polen, Rumänien, Bulgarien und der Slowakei werden als „Problemgruppe“ dargestellt. Ein Versuch, ihnen somit das Recht auf die Sicherung ihrer Grundbedürfnisse zu nehmen. Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) hat in einem Interview im Juli 2011 verkündet, er wolle obdachlose rumänische und bulgarische Menschen aus Hamburg in ihre Herkunftsländer „zurückführen“.

Zum 1. November eröffnet nun die Hamburger Sozialbehörde im Rahmen des Winternotprogramms eine Obdachlosenunterkunft in der Spaldingstraße 1, in der Nähe des Hauptbahnhofs. Offiziell soll die Unterkunft in der Spaldingstraße allen Obdachlosen Hamburgs offen stehen. Da in dieser Unterkunft die „Drei-Tage-Regelung“ nicht umgesetzt wird, ist zu vermuten, dass sie vor allem von Menschen aus osteuropäischen Ländern genutzt wird. Neben der Unterkunft soll zudem eine Beratungsstelle im gleichen Haus eröffnet werden.

Diese ist allerdings ausschließlich osteuropäischen Obdachlosen vorbehalten und wird von Vertrer_innen der polnischen, slowakischen, rumänischen und bulgarischen Konsulate angeboten. Zielländer also, die für mindestens 3 Monate dem Freizügigkeitsgesetz/EU unterliegen, wo also die Ein- und Ausreise nicht kontrolliert werden kann. Dass die Beratungsstelle auch noch direkt gegenüber der Hamburger  Ausländerbehörde liegt, die für ihre rigide rassistische Abschiebepraxis bekannt ist, scheint ein geschmackloser Scherz der Stadt zu sein. 

Mit Kalkül wird somit die aussichtlose Lage von osteuropäischen Obdachlosen auf einen warmen Schlafplatz im Winter ausgenutzt. Die Obdachlosen werden an einer zentralen Stelle versammelt, registriert und durch die „Rückkehrberatung“ wird  versucht, sie loszuwerden. Dass Jobcenter und die Wohnungsnothilfe “telefonische Erreichbarkeit” während der Beratungszeiten gewährleisten, wie aus der kleinen Anfrage der Linken vom 24.10.11 hervorgeht, wirkt mehr wie eine Ausrede als wie eine Sozialberatung.

Die geringe Perspektive von Obdachlosen ohne Rechtsansprüche, zu denen vor allem Menschen aus Osteuropa gehören, und die damit einhergehende Gefahr einer Verelendung werden als selbstverschuldet dargestellt und eine ganze Bevölkerungsgruppe als „nicht integrierbar“ deklariert. Dass die Lage der Obdachlosen vor allem durch ihren rechtlichen Ausschluss aus der Gesellschaft und durch alltäglichen gesellschaftlichen Rassismus hergestellt wird, findet dabei keine Berücksichtigung. Diese durch staatliche Politik und gesellschaftliche Mechanismen herbeigeführte Notlage nun als Argument für eine Rückkehr zu benutzen, zeigt den Zynismus, mit dem ein sozialpolitisches Hilfsangebot als verlängerter Arm einer restriktiven Migrationspolitik missbraucht zu werden droht. 

Die Beratung in der Spaldingstraße macht es sich einfach und formuliert als ihr Ziel, die von der Gesellschaft psychisch und physisch extrem belasteten Menschen, in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken und das „Problem“ somit abzuwälzen. Anstatt auf die Bedürfnisse der Hilfesuchenden einzugehen, wird die Notlage ausgenutzt und als einzig naheliegender Ausweg die Rückkehr angeboten. Es ist jedoch fraglich, ob die Migrant_innen überhaupt wieder in ihre Herkunftsländer möchten und was sie dort erwartet. Von der Beratungsstelle wird aus einer nationalistischen Perspektive suggeriert, dass Menschen in ihrem Herkunftsland am besten aufgehoben seien. Dabei wird außer acht gelassen, dass die Migrant_innen vielleicht gute Gründe hatten das Land zu verlassen.

Damit ist nicht gesagt, dass es für manche Obdachlose nicht tatsächlich eine gute Möglichkeit sein kann, in ihr Herkunftsland zurückzukehren, wenn sie das möchten. Sie sollten nur eben nicht dazu gedrängt werden, etwa indem das Beratungsgespräch bereits von vornherein darauf angelegt ist und womöglich psychisch Druck ausgeübt wird. Eine Rückkehr ist eine Möglichkeit unter vielen, und entsprechend breit gefächert sollte eine unabhängige Beratung stattfinden – unabhängig von stadtpolitischen Interessen. Denn wie sich in der Vergangenheit gezeigt hat, zahlt die Stadt Hamburg Vertreter_innen der Herkunftsländer schon mal Prämien, um Migrant_innen abschieben zu können.

Notwendig ist eine Beratung, die vor allem auch die Möglichkeiten und Ansprüche der Betroffenen in Deutschland klärt. Abzuwarten bleibt, ob eine solche Prüfung in der Spaldingstraße stattfinden wird und ob das Personal dafür ausgebildet ist. Wir sind derzeit jedenfalls skeptisch. Und sehen die Unterkunft in der Spaldingstraße als Versuch der Stadt Hamburg, Obdachlose unter dem Deckmantel der Freiwilligkeit etwas eleganter und dauerhafter loszuwerden als es bisher der Fall war. Denn wie uns ein Sozialarbeiter erzählte, gab es in der Vergangenheit „massenhaft“ Abschiebungen nach Polen. Das „Problem“ aus Sicht der Stadt war nur – „am nächsten Tag waren sie wieder da!“

Weitere Infos:

1. Kleine Anfrage der Partei Die Linke zum Thema
Presseartikel zum Thema
Noch ein Presseartikel
Pressemitteilung der Sozialbehörde 

Eine erste Auseinandersetzung mit der „Rückkehrberatung“ nach der Ankündigung im Oktober 2011

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